Werkzeugverschleiß ist ein natürlicher Prozess, der auftritt, wenn Zerspanungswerkzeuge während des Betriebs mechanischen, thermischen und chemischen Belastungen ausgesetzt werden. Diese Abnutzung kann die Leistung eines Werkzeugs verringern und schließlich zu dessen Versagen führen. Daher ist es entscheidend, den Werkzeugverschleiß zu verstehen, um seine Lebensdauer zu optimieren und eine präventive Wartung durchzuführen.
Einflussfaktoren auf den Verschleiß
Der Werkzeugverschleiß wird durch zahlreiche Faktoren beeinflusst:
Schneidstoff: Härtere Werkstoffe widerstehen der plastischen Verformung und dem Abrieb besser, während sprödere Werkstoffe anfälliger für Brüche sind.
Schnittgeschwindigkeit: Höhere Schnittgeschwindigkeiten erhöhen die Temperaturen und beschleunigen thermische und chemische Verschleißprozesse.
Kühlschmierstoffe: Diese helfen, die Reibung und Temperatur zu reduzieren, was den Verschleiß verlangsamt.
Werkstückmaterial: Harte, abrasive oder adhäsive Materialien verursachen einen höheren Verschleiß am Werkzeug.
Bearbeitungsbedingungen: Zu hohe Vorschübe oder Schnitttiefen können die Kräfte auf das Werkzeug und damit den Verschleiß erhöhen.
Verschleißformen
Es gibt verschiedene Formen des Verschleißes, die sich auf die Oberfläche eines Werkzeugs auswirken können. Die wichtigsten Formen sind in Abbildung 2 aufgeführt.
Kammrisse
Kammrisse entstehen durch die wiederholten thermischen und mechanischen Belastungen, denen das Werkzeug während des Bearbeitungsprozesses ausgesetzt ist. Spezielle Beschichtungen, wie z.B. TiAlN oder andere hitzebeständige Schichten, können das Werkzeug vor thermischen und mechanischen Belastungen schützen und die Bildung von Kammrissen minimieren.
Flankenverschleiß (Freiflächenverschleiß)
Dies ist der häufigste Verschleißmechanismus. Er tritt an der Flanke des Werkzeugs auf, dort wo es mit dem Werkstück in Kontakt steht. Der Flankenverschleiß führt zur Reduzierung der Schnittkante, was die Genauigkeit des Werkzeugs beeinflusst. Der Freiflächenverschleiß entwickelt sich in der Regel gleichmäßig. Das Volumen VT, das durch den Schneidkeil abgetragen wird, hängt bei einem konstanten Freiflächenverschleiß vom Freiwinkel des Werkzeugs ab.
VB – Verschleißmarkenbreite
Ein kleinerer Freiwinkel α sorgt für eine stabilere Schneidkante. Wenn der Freiwinkel jedoch zu gering ist, vergrößert sich die Kontaktfläche, was die Reibung zwischen Werkzeug und Werkstück erhöht. Ein Freiwinkel ist grundsätzlich notwendig, da das Werkzeug sonst das Material lediglich verdrängen würde, anstatt es zu schneiden.
Kolkverschleiß (Kraterverschleiß / Kraterbildung)
Kraterbildung tritt auf der Spanfläche des Werkzeugs auf, verursacht durch die Bewegung der Späne über die Werkzeugoberfläche. Dieser Verschleißtyp kann die Schneidkante stark schwächen, was zu einem plötzlichen Werkzeugversagen führen kann.
Plastische Verformung
Bei hohen Temperaturen und Drücken kann es zur plastischen Verformung der Schneide kommen. Dies tritt besonders bei unzureichend gehärteten Werkzeugen auf oder wenn das Werkzeugmaterial den Belastungen nicht standhält.
Kerbverschleiß
Hierbei handelt es sich um einen schmalen Verschleißbereich in der Nähe der Schneidkante. Der Kerbverschleiß tritt hauptsächlich bei unterbrochenen Schnitten oder abrasiven Materialien auf und wird durch den Kontakt des Werkzeugs mit der Materialoberfläche verursacht.
Aufbauschneide
Dies ist eine temporäre Anhäufung von Material auf der Schneidkante des Werkzeugs, verursacht durch die Adhäsion des Werkstückmaterials. Dieser Prozess kann die Schneidkantengeometrie verändern und unregelmäßige Schnittbedingungen erzeugen.
Bruchverschleiß
Bei zu hoher Belastung, z. B. durch zu hohe Schnittkräfte oder Schwingungen, kann das Werkzeug brechen. Dieser Verschleiß tritt in der Regel plötzlich auf und führt zum sofortigen Versagen.
Zur Abschätzung des Werkzeugverschleißes kann auch eine weitere materialbezogene Methode verwendet werden. Die Archard-Gleichung, die den abrasiven Verschleiß beschreibt:
k - Verschleißkoeffizient (materialspezifisch)
FN – Normalkraft, die auf das Werkzeug wirkt
s - zurückgelegte Gleitstrecke (Gesamtstrecke der Relativbewegung zwischen Werkzeug und Werkstück)
H - Härte des Werkzeugs (MPa oder N/mm2)
Die Archard-Gleichung beschreibt, dass der Verschleiß proportional zur Kraft FN und der Gleitstrecke s ist, aber umgekehrt proportional zur Härte des Werkstoffs H.
Verschleißmechanismen
Aus der Reibung resultiert zwangsläufig Verschleiß, der zu Veränderungen am Grund- und Gegenkörper führt. Wissenschaftlich kann der Verschleiß generell durch die vier wichtigsten Verschleißmechanismen (Abbildung 3) und die mit ihnen verbundenen Verschleißerscheinungsformen erklärt werden:
Adhäsion: Ausbilden und Trennen von Haftverbindungen an der Grenzflache (Kaltverschweißung, Fressen). Verschleißerscheinungsformen: Löcher, Kuppen, Schuppen, Materialübertrag
Abrasion: Materialabtrag durch ritzende Beanspruchung Verschleißerscheinungsformen: Kratzer, Riefen, Mulden, Wellen
Tribochemische Reaktion: Entstehung von Reaktionsprodukten durch die tribologische Beanspruchung bei chemischen Reaktionen von Grundkörper, Gegenkörper und Zwischen- bzw. Umgebungsmedium. Verschleißerscheinungsformen: Reaktionsprodukte (Schichten, Partikel)
Oberflächenzerrüttung: Ermüdung und Rissbildung durch Wechselbeanspruchung im Oberflächenbereich. Verschleißerscheinungsformen: Risse, Grübchen
Durch den Verschleiß kann sich die Geometrie der Schneide verändern. Viele Werkzeuge können nachgeschliffen werden, insbesondere solche aus HSS und Hartmetall. Falls der Verschleiß moderat ist und keine thermische Veränderungen im Schneidwerkstoff verursacht hat, kann die Schneidkante durch Schleifen nachgeschärft werden. Es ist wichtig, die ursprünglichen Winkel und Formen wiederherzustellen, um optimale Schnittleistung zu gewährleisten. Werkzeuge mit Hartstoffbeschichtungen (z.B. TiN, TiAlN) können zwar nachgeschliffen werden, jedoch wird dabei die Beschichtung entfernt. Nach dem Schleifen müsste die Beschichtung erneuert werden, um die ursprüngliche Verschleißfestigkeit wiederherzustellen. Dies erhöht die Kosten.
Werkzeugverschleiß ist ein unvermeidlicher Prozess, der die Lebensdauer und die Leistung eines Werkzeugs stark beeinflusst. Das Werkzeug muss rechtzeitig gewechselt werden, um die Prozessqualität aufrechtzuerhalten und Schäden am Werkstück oder am Werkzeug selbst zu vermeiden. In diesem Zusammenhang ist es entscheidend, mögliche Verschleißursachen rechtzeitig erkennen und den Werkzeugverschleiß genau prognostizieren zu können.
Quellen:
[1] B. Denekena, H. K. Tönshoff Spanen Grundlagen 3., bearb. u. erw. Aufl. Hannover, 2010, S. 145