Das Reiben ist gemäß DIN 8589-2 ein spanendes Fertigungsverfahren, bei dem vorgefertigte Bohrungen mit geringer Spanungsdicke aufgebohrt werden. Es zählt zum Spanen mit geometrisch bestimmter Schneide. Das Werkzeug ist eine Reibahle. Ziele sind neben einer hohen Maßgenauigkeit eine hohe Oberflächengüte und eine hohe Formgenauigkeit. Die Lagegenauigkeit kann nicht mehr verbessert werden. In der Einteilung der Fertigungsverfahren nach DIN 8589 wird es gemeinsam mit dem Bohren und Senken behandelt. Es werden zwei Verfahrensvarianten als Reiben bezeichnet:
Rundreiben
Profilreiben
Rundreiben dient zur Herstellung zylindrischer, maßgenauer Bohrungen, die zum Beispiel für Stiftverbindungen oder Werkzeugaufnahmen benötigt werden. Die Hauptspanarbeit wird vom Anschnitt der Reibahle ausgeführt. Profilreiben wird oft verwendet, um präzise Innen- oder Außenprofile in Werkstücken herzustellen. Neben zylindrischen Formen können spezielle Profile wie Vielzahnprofile, Nuten oder konische Formen erzeugt werden
Eine bestehende Bohrung, die über eine Reibzugabe verfügt, wird mit einer Reibahle aufgebohrt. Reibungszugaben müssen so gewählt werden, dass eine Mindestspanungsdicke gegeben ist, aber keine Überlastung durch eine zu große Spanabnahme erfolgt. Da nur ein Spanungsgang durchgeführt wird, entspricht die Reibzugabe der Spanungsdicke. Diese ist stark begrenzt und beträgt je nach Werkstoff und Durchmesser der Bohrung 0,1 mm bis 0,6 mm, bei Schälreibahlen für langspanende Werkstoffe bis 0,8 mm.
Reibwerkzeug
Eine Reibahle ist speziell für die präzise Bearbeitung von Bohrungen konzipiert. Sie ermöglicht die genaue Kontrolle sowohl der Form als auch der Größe des Lochs. Die Schneiden der Reibahle sind die aktiven Elemente, die das Material abtragen und die gewünschte Form und Größe der Bohrung erzeugen. Der Aufbau einer Reibahle ist ebenfalls in Abbildung 1 dargestellt.
Eine Reibahle hat einen kleinen Spanwinkel (z.B. für Stahlbearbeitung liegt der Spanwinkel zwischen 0° und 6°), um die Stabilität und Genauigkeit des Bearbeitungsprozesses zu gewährleisten. Ein kleiner Spanwinkel reduziert die Schnittkräfte und verhindert ein aggressives Schneiden, wodurch die Reibahle präzise das vorgebohrte Loch auf das gewünschte Maß bringt, ohne übermäßiges Material zu entfernen. Dies ist entscheidend für das Einhalten enger Toleranzen und das Erzielen einer glatten Oberfläche.
Durch die Fase wird das Risiko der Gratbildung an den Rändern der bearbeiteten Bohrung minimiert, da das Material schonend abgetragen wird, anstatt scharf durchtrennt zu werden. Die Fase an der Schneide einer Reibahle dient unter anderem auch dazu, das Werkzeug in das vorgebohrte Loch eintreten kann, ohne abzuweichen oder zu verkanten. Durch die Fase wird die eigentliche Schneidkante durch die gleichmäßige Verteilung der Schneidkräften geschützt. Es führt zur Reduktion der Belastung auf das Werkzeug sowie des Verschleißes.
Bei gleichmäßig verteilten Schneiden können resonante Schwingungen auftreten, die zu unerwünschten Vibrationen führen. Diese Vibrationen können die Maßhaltigkeit und Oberflächenqualität negativ beeinflussen. Die ungleichmäßige Teilung der Schneiden bei einer Reibahle dient dazu, Vibrationen und Rattermarken während des Bearbeitungsprozesses zu reduzieren und somit eine höhere Präzision und Oberflächengüte zu erzielen. Die ungleichmäßige Teilung kann auch den Abtransport der Späne erleichtern, indem die Schneiden zu unterschiedlichen Zeiten in das Material greifen und dadurch das Risiko von Spanverklebungen oder Werkzeugstörungen verringert.
Der Schaft der Reibahle dient zur Aufnahme im Werkzeughalter und zur Übertragung des Drehmoments. Die Spannut sorgt für den Abtransport der Späne aus dem Loch, während die Beschichtung den Verschleiß reduziert und die Lebensdauer des Werkzeugs verlängert. Die Toleranzklasse der Reibahle bestimmt die Genauigkeit, mit der die Bohrung bearbeitet werden kann. Spannuten sind essenziell für die Funktion von Reibahlen, da sie für die effiziente Spanabfuhr sorgen. Durch die Kanäle der Spannuten werden Späne während des Reibvorgangs abtransportiert, wodurch Verstopfungen und Schäden am Werkzeug und Werkstück verhindert werden. Zusätzlich ermöglichen sie den Durchfluss von Kühlschmierstoffen, was die Lebensdauer des Werkzeugs verlängert, die Oberflächenqualität verbessert und die Bearbeitungszeit verkürzt. Spannuten können spiralförmig, gerade oder in einer Kombination aus beiden Formen ausgeführt sein. Spiralnuten bieten die beste Spanabfuhr, während gerade Spannuten eine gute Kühlung ermöglichen.
Reibprozess
Das Reiben gilt als ein spanendes Fertigungsverfahren, bei dem Bohrungen mit geringem Aufmaß (auch Reibzugabe genannt) mit einer Reibahle aufgebohrt werden. Reibungszugaben müssen so gewählt werden, dass eine Mindestspanungsdicke gegeben ist, aber keine Überlastung durch eine zu große Spanabnahme erfolgt. Da nur ein Spanungsgang durchgeführt wird, entspricht die Reibzugabe der Spanungsdicke.
Während die Durchmesserveränderung eher gering ist, können bei diesem Schlichtverfahren die Oberflächengüte, Durchmessertoleranz und Rundheit enorm verbessert werden. So entstehen Bohrungen mit einer Genauigkeit von IT7 und besser (gemäß ISO-Toleranz). Diese Bohrungen werden zum Beispiel für Lagersitze, Passstifte und Führungen, in denen sich eine Welle dreht, benötigt.
Die Härte des Werkstücks beeinflusst die Schwierigkeit des Reibprozesses und die erzielbare Oberflächenqualität. Zähe Werkstoffe können während des Reibens zu Verformungen führen, was die Genauigkeit beeinträchtigt. Eine raue Oberfläche vor dem Reiben erschwert das Erreichen einer glatten Oberfläche.
Die Geschwindigkeit, mit der das Reibwerkzeug über das Werkstück geführt wird (Schnittgeschwindigkeit), kann die Oberflächenrauheit beeinflussen. Eine höhere Geschwindigkeit führt oft zu einer raueren Oberfläche. Die Schnittgeschwindigkeit beim Reiben ist mit 3 m/min bis 28 m/min etwa halb so groß wie beim Bohren.
Der Vorschub, also die Geschwindigkeit, mit der das Werkzeug in das Material eindringt, beeinflusst die Oberflächenqualität und die Bearbeitungsgeschwindigkeit. Ein kleinerer Vorschub führt zu einer höheren Qualität, aber auch zu einer langsameren Bearbeitung. Der Vorschub von 0,04 mm/U bis 1,2 mm/U richtet sich nach dem Werkstoff, dem Bohrungsdurchmesser und der geforderten Oberflächengüte.
Reibahlen werden in zwei Kategorien unterteilt: Handreibahlen und Maschinenreibahlen. In Abbildung 2 wird der Unterschied deutlich veranschaulicht.
Die Maschinenreibahle kommt, wie der Name schon sagt, in Werkzeugmaschinen zum Einsatz. Das sind in erster Linie CNC Dreh- und Fräsmaschinen. Aber auch der Einsatz auf konventionellen Drehmaschinen (hier meist mit einem Pendelfutter) und in Bohrwerken ist möglich. Die Maschinenreibahlen werden aus HSS und Vollhartmetall gefertigt, auch hartmetallbestückte Ausführungen sind möglich. Diese Reibahle hat einen kürzeren Anschnitt. Auch der Führungsteil ist kurz, da die Maschine für die notwendige Führung sorgt.
Bei der Handreibahle erfolgen Führung und Vorschub manuell, also „per Hand“. Auf Grund der kleinen Schnittwerte und der, im Vergleich zum maschinellen Einsatz, instabileren Einsatzbedingungen, werden sie aus HSS (Schnellarbeitsstahl) gefertigt. Zu besseren Führung innerhalb der Bohrung verfügt die Handreibahle über einen langen Anschnitt. Am Schaftende befindet sich ein Vierkant, zur Aufnahme im Windeisen.
Die Schnitttiefe, also die Tiefe, bis zu der das Werkzeug in das Material eindringt, beeinflusst die Bearbeitungszeit und die erreichbare Oberflächenqualität. Kühlung und Schmierung sind dabei sehr wichtig, um den Verschleiß des Werkzeugs zu reduzieren und die Oberflächenqualität zu verbessern. Die Verwendung von CNC-gesteuerten Reibmaschinen ermöglicht eine präzise Steuerung der Prozessparameter und automatisiert den Reibvorgang, wodurch gleichmäßigere Ergebnisse erzielt werden.
Reiben kann typischerweise Toleranzen von H7 bis H9 erreichen. Die Rauheitswerte, die durch Reiben erzielt werden können, liegen typischerweise zwischen Ra = 0,4 µm und Ra = 0,8 µm. Das heißt, die Oberfläche ist sehr glatt und weist nur sehr kleine Unebenheiten auf.
Quellen:
[1] J. Dietrich Praxis der Zerspantechnik: Verfahren, Werkzeuge, Berechnung 12. überarbeitete Auflage Dresden, 2016. S. 163